Klassiker der Körperwahrnehmung: Erfahrungen und Methoden des Embodiment

Don H. Johnson: Klassiker der Körperwahrnehmung: Erfahrungen und Methoden des Embodiment

Ein Korb voller Ganzheit

Im Hans Huber Verlag in Bern sind zahlreiche Klassiker der Bewegungspädagogik in den letzten Jahren ebenso neu erschienen wie moderne Interpretationen hier ihren Verlagsort finden. Man kann sich dies wie ein konzertiertes Zentrum vorstellen, indem sich viele Größen der Bewegungskunst verabreden. Ob Marbel Todds bewegter Körper, Gerda Alexanders Eutonie oder die sensationelle Einführung ins Body-Mind-Centering von Linda Hartley: Bei Hans Huber dürfen nicht nur Psychologen und Physiologen, sondern vor allen Dingen Körpertherapeuten laut und befreit aufatmen und sich an den Händen fassen, weil sie hier nicht nur willkommen, sondern auch verstanden sind.

Exemplarisch für das große, offene Happening ist die Übersetzung der Kompilation von Don Hanlon Johnson, der die Klassiker der Körperwahrnehmung zusammengefasst hat. Thea Rytz, die ebenfalls bei Huber mit einem großartigen körpertherapeutischen Buch (Bei sich und in Kontakt) auf sich aufmerksam gemacht hat, ist die perfekte Herausgeberin der nun erschienenen deutschen Ausgabe.

Das Buch ist ein großer Schatz, den in Händen zu halten, nicht nur Eingeweihte auf den ersten Blick erspüren können, sondern auch Interessierte, Neuankömmlinge, ja sogar Zweifler. Wer den Vorstellungen von Elsa Gindler oder Else Middendorf und wer den Erfahrungen von Moshe Feldenkrais oder Ida Rolf lauscht, der wird verändert, so oder so.

Embodiement nennt man heutzutage die Erfahrungsmöglichkeit, den eigenen Körper über Wahrnehmung und Bewusstseinsschulung in die natürliche Sphäre wirklichen Handelns zu integrieren. Warum diese Fähigkeit nicht dreizehn Jahre lang in der Schule gelehrt wird, ist mit einem Blick auf die abendländische Geschichte ja nachvollziehbar, aber dennoch unfassbar unverständlich.

Die Zusammenstellung der wirklich großen Pioniere auf diesem Gebiet, angefangen bei F.M. Alexander und Gindler-Jacoby über Charlotte Selver und Mary Whitehouse bis hin zu Bonnie Bainbridge-Cohen und Thomas Hanna ist einzigartig und voller lebendiger Wirklichkeit. Interviews, Selbstzeugnisse oder Beschreibung – die narrative Form der Vorstellung der Persönlichkeit und seiner Methode ist unterhaltsam abwechslungsreich.

Was Johnson besonders auszeichnet ist der Versuch einer Integration all dieser Schulen und Methodikern. So sensationell sie nämlich im Einzelfall sind, so erstaunlich ist es immer wieder, sich vorstellen zu müssen, dass Ida Rolf und Moshe Feldenkrais zwar nicht verfeindet, aber dennoch sich nicht wohlgesonnen waren. Und das lag in erster Linie an dem unterschiedlichen Ansatz des Körperverständnisses. Selbstredend ein Unding, dass Johnson federleicht auflöst und zeigt, wie eng sie alle miteinander verbunden sein müssen.

Denn um  die präsente Lebendigkeit, die bewusste Aufmerksamkeit, das animalische Dasein geht es ja nicht nur in den Theorien dieser zahlreichen Schriften, sondern auch im Leben selbst. Umso schöner ist es, dass eine gelungen Synthese hier vorliegen darf.

Fazit:

Der Physiker wird wahrscheinlich sagen, alle Menschen brauchen Physik. Der Chemiker, der Mathematiker, der Geograph werden das Gleiche über ihr Steckenpferd behaupten. Dass alles Sein im Körper anfängt (auch und vor allen Dingen das geistige), hat Aristoteles schon gewusst. Es ist seit mehreren tausenden Jahren an der Zeit, diese Theorie in die Praxis umzusetzen und endlich wieder zu leben. Eine bessere Grundlage als diese Überlegungen, die der Huber-Verlag hier präsentiert, gibt es nicht. Ein unverzichtbares Sammelwerk!

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