Corridor von Sarnath Banerjees
Sarnath Banerjees Corridor ist eine graphic novel, anspruchsvoll, grenzüberschreitend und in vielem setzt der Band Wissen über das Leben im heutigen Indien voraus. Ein Tipp für Insider also.
Der Autor
Sarnath Banerjee wurde 1972 in Kolkata geboren, er lebt und arbeitet heute als Autor und Filmemacher in Neu Delhi. Er studierte in London am Goldsmiths College Medien- und Kommunikationswissenschaft. 1999 bis 2000 erhielt Banerjee ein Stipendium der MacArthur Foundation, 2001 bis 2002 ein weiteres der indischen Stiftung für die Künste in Bangalore und 2004 ein Ègide-Autorenstipendium in Paris. Der südafrikanische Autor Ivan Vladislavic schlug ihn dann als Stipendiaten der Akademie Schloss Solitude für den Zeitraum 2005-2007 vor.
Inhalt
Simone Wille in der NZZ vom 12. Mai 2005 beschrieb corridor euphorisch als eine „ … Aneinanderreihung persönlicher, historischer und kontemporärer Erinnerungen und Erlebnisse. Ausdruck findet dies in einer Sprache, die … durch den Jargon des indischen Straßenhändlers lebendiges Lokalkolorit erhält. Passend dazu die bildliche Vielfalt: Zeichnungen, die bei den Holzschnitten eines Frans Masereel anzusiedeln sind, werden verstrickt mit dem populären Kitsch der indischen Posterwelt … Ohne auf die einzigartige Möglichkeit von Comics zu verzichten, eine surreale und lebhafte, zugleich aber auch poetisch fesselnde Welt zu schaffen, vermittelt Sarnath Banerjee eine Menge an Informationen über menschliche Zusammenhänge entlang der fragmentierten Realitäten des Großstadtdschungels.“
Das ist auf den Punkt gebracht: Corridor beschreibt Elemente aus dem Leben einiger Großstädter in Delhi. Fokus ist Jehangir Rangoonwalla, der Tee ausschenkt und gebrauchte Bücher verkauft. Dann ist da zum einen Digital Dutta, der hin- und hergerissen ist zwischen Karl Marx und einem Visum für die USA, Brighu, ein postmoderner Ibn Battuta auf der Suche nach seltsamen Sammlerstücken und der Liebe seines Lebens, aber ohne sich wirklich zu binden, und Shintu, frisch verheiratet, der das ultimative Aphrodisiakum sucht. Corridor hat keine fortlaufende Handlung, setzt sich zusammen aus einzelnen Sentenzen, was aber keineswegs ein Nachteil ist. Es sind eher Aneinanderreihungen von Erinnerungen aus einem multikulturellen Stadtkonglomerat voller Brüche und Zerrissenheiten. Der Hauptteil spielt in Delhi, in der Stadt, in der Banerjee lebt und arbeitet, aber auch in Kolkata, seiner Heimatstadt. Das Buch, bei penguin 2004 erschienen, verkaufte sich gut in Indien, und das, obwohl der Autor zwei Jahre lang auf der Suche nach einem Verlag die Klinken putzen musste.
Mit Spannung warte ich jetzt auf Banerjees zweites Buch: The Barn Owl’s wonderous Capers. Shalom Hakon, Händler aus Aleppo kommt in das Kalkutta des frühen 19. Jh. und findet schnell Zugang in die Welt der weißen Nawabs der East India Company und der bengalischen Elite. Im Stil der Boulevardpresse schreibt Hakon über seine Erlebnisse in der skandalträchtigen, exzentrischen Gesellschaft.
Fazit
Wer ein bisschen mehr über das moderne großstädtische Indien wissen möchte und wer mit graphic novels etwas anfangen kann, ist mit Corridor gut bedient. Man braucht einige Zeit, aber das Stromern durch diese Stadtwelten macht ungemein Spaß.