Marlen Haushofer: Die Wand
Inhalt
Eine Frau fährt mit einem befreundeten Ehepaar für ein Wochenende in die Berge in deren Jagdhütte. Abends gehen die Gastgeber noch einmal ins Dorf, die Frau bleibt mit dem Hund der beiden im Haus.
Doch das Paar kommt nicht zurück, niemand kommt mehr in die Berge und auch die Frau, deren Namen nicht genannt wird, kann das Gebiet nicht mehr verlassen. Eine unsichtbare Wand schließt sie und alles, was in den Bergen lebt, von der Außenwelt ab.
Mit dem Fernglas erkennt die Frau, dass alles außerhalb der Wand tot zu sein scheint, zwei Menschen kann sie erkennen, die sich nicht mehr bewegen, kein Rauch steigt aus den Häusern des Dorfes, kein Ton dringt mehr aus dem Autoradio, kein Flugzeug zeigt sich am Himmel. Die Wand schließt sie ab, scheint sie aber gleichzeitig zu schützen. Was ist geschehen?
Die Frau hat trotz Grübelns keine Antwort auf diese Frage. Es sieht so aus, als ob niemand sie retten wird, auch „Sieger“ irgendeiner militärischen Aktion scheint es nicht zu geben. Die Frau muss sich dem Leben stellen, so wie es für sie ist.
Da das Gebiert, das ihr zugänglich ist, mehrere Jagdreviere umfasst, kann sie überleben. Und sie trägt Verantwortung, zuerst für den Hund namens Luchs, später noch für eine Katzenfamilie, die Kuh Bella und Stier, ihr Kalb. Die Frau lernt alte Techniken neu, sie jagt – obwohl sie das Töten hasst – setzt Kartoffel und Bohnen, macht Heu für den Wintervorrat, hackt Holz, melkt und buttert.
Mit dem Wenigen, was sie hat, lernt sie umzugehen. Ihr Körper gewöhnt sich an die harte Arbeit, ihre Gedanken lassen sich jedoch nicht so einfach abstellen. Sie reflektiert ihr bisheriges Leben, das ihr belanglos erscheint, ihr jetziges und die mögliche Zukunft, ihre Furcht, das Mensch-sein in der Einsamkeit zu verlieren, die Tatsache, sich immer stärker ihren Tieren anzunähern, mit denen sie mehr eine Familie, als eine Schicksalsgemeinschaft bildet.
Solange ihr Papier reicht, schreibt sie einen Winter lang auf, was sie erlebt hat, auch wenn sie nicht weiß, ob ihre Aufzeichnungen jemals jemand lesen wird, oder ob sie nur den Mäusen Material zum Nestbau hinterlässt.
Auch von der einzigen Begegnung mit einem anderen Menschen, einem Mann, berichtet sie. Die Begegnung verläuft denkbar schlecht. Als sie den Mann entdeckt, steht der vor der Leiche von Stier, den er mit der Axt erschlagen hat. Bevor die Frau handeln kann, tötet der Mann auch ihren Hund, ihren besten Freund. Auf der Stelle erschießt sie den Anderen, wirft seine Leiche in eine Schlucht. Ihren Hund begräbt sie.
Doch trotz dieser herben Verluste endet der Roman gedämpft optimistisch, Bella wird wieder ein Kalb bekommen und vielleicht wird es auch wieder junge Katzen geben.
Fazit
Der Roman, der schon 1968 erschienen ist, lässt sich auf verschiedene Art lesen: Als Robinsonade, allerdings geht die Begegnung mit „Freitag“ alles andere als gut. Der lange verborgen gebliebene zweite Überlebende ist so aggressiv, dass ihn die Frau sofort tötet.
Da auch die Erinnerung an den verstorbenen Ehemann der Frau nur am Rande eine kleine Rolle spielt, kann man den Roman auch als feministisch lesen – oder als Zivilisationskritik, denn der Frau gelingt ja ein zwar einsames, aber weithin auch glückliches Leben im Einssein mit Natur und Tieren.
Meiner Ansicht nach spielt das alles mit hinein, aber der Roman ist so komplex, dass man ihm Unrecht tut, ihn nur auf einen Bereich zu reduzieren. Die Frau fügt sich überraschend schnell in ihr Schicksal, scheint die Welt nur wenig zu vermissen, Sexualität spielt für sie keine Rolle und die Einsamkeit macht ihr nur wenig Probleme.
Mich ließ der Roman nicht mehr los, er gehört zu den besten 100, die ich je gelesen habe.