Biutiful – Alejandro González Iñárritu
Der Film
Im tiefsten inneren unserer Seele wissen wir, dass das Leben endlich ist, und dennoch erschüttert uns das tatsächliche Ende, als ob wir Ausnahme der Regel wären. Uxbal (Javier Bardem) sollte sich dieser Endlichkeit bewusst sein, hat er doch die seltene Gabe, mit scheidenden Seelen Kontakt aufzunehmen. Doch der Befund seiner tödlichen Krebserkrankung erschüttert ihn, wie jeden anderen Menschen.
Uxbal, alleinerziehender Vater von zwei Kindern, Ana (Hana Bouchaib) und Mateo (Guillermo Estrella), ist in Geschäfte mit illegalen Einwanderern verstrickt und hält sich und seine Kinder damit über Wasser. Der Film folgt ihm in die dunklen Gassen Barcelonas, in Hinterhöfe und Kellergewölbe, wo illegale Einwanderer, sich in menschenunwürdigen Konditionen ihr Brot verdienen und wo das einzelne Menschenleben nicht mehr zählt, als der Mehrwert, den es produziert. Teil dieser Gewalt und machtlos seinem eigenen Schicksal gegenüber, sucht Uxbal Wege, das Los der Migranten zu erleichtern. Doch wie auch schon in anderen Filmen, zeigt Regisseur González Iñarritu, dass der Mensch nur bedingt das Schicksal beeinflussen kann.
Auch um die Zukunft seiner Kinder sorgt sich Uxbal. Er sucht ihre Mutter Marambra (Maricel Álvarez) auf und bittet sie zurückzukommen. Schnell wird dem Zuschauer klar, warum sich Uxbal von ihr getrennt hat. Von Alkoholproblemen und Depressionen geplagt, verdient sie sich ihren Lebensunterhalt damit, Männer zu massieren und geizt auch nicht mit freizügigeren Diensten.
Als sie in die trübe Wohnung Uxbals einzieht, erhellt ihre kindliche Lebensfreude das Dunkel kurz. Doch genauso naiv wie ihre Lebensfreude, ist ihre Verantwortungslosigkeit und somit kommt, was kommen muss: Uxbal schmeißt sie raus und begräbt damit die Hoffnung für seine Kinder eine akzeptable Zukunft zu gestalten.
Doch der Film heißt nicht umsonst „Biutiful“. Geschrieben von Kinderhand, steht es für die sorglose Schönheit der Welt und die Stärke des Menschen, über das Schicksal hinweg, diese Schönheit zu genießen. Es steht auch für die Hoffnung, dass das Ende nicht endgültig ist, sondern zum Neubeginn wird, meist dann, wenn man es am wenigsten erwartet.
Überspitzt?
So mancher findet den Film überspitzt, zu krass, zu zermürbend, aber wie sonst sollte sich einem die Wirklichkeit präsentieren, wenn man als Schuldiger am verfrühten Ende seines Lebens steht und zwei Kinder zurücklässt (Zugegeben, es gibt eine Randgeschichte, die man vielleicht weglassen hätte können).
Man stellt sich natürlich die berechtigte Frage, warum Iñarritu diese dunkle Geschichte in das noch dunklere Migrantenmilieu bettet. Vielleicht, weil dieses Thema mit weltweit über 200 Millionen Migranten fester Bestandteil unserer Wirklichkeit und ungelöste Problematik geworden ist, besonders in Mexiko, der Heimat Iñarritus. Es wäre nicht das erste Mal, dass Iñarritu soziale Randgruppen und gefallene Menschen darstellt.
Vielleicht aber benutzt er diesen Hintergrund auch, weil man Parallelen zwischen der Machtlosigkeit eines Todkranken und der, der Migranten erkennen kann. So wird, wie auch schon in Amores Perros oder in Babel, die eingeschränkte Macht des Menschen über das Schicksal thematisiert.
Liebe fürs Detail
Nichts ist dem Zufall überlassen, von der Musik, bis zum Licht, den Farben und der Kameraführung sind alle kleinen Details abgestimmt, ohne jedoch den Film zu überladen oder seinen Fluss zu behindern. Die Kamera beobachtet scharf, drängt sich aber nie auf, und vermeidet dadurch jeglichen Voyeurismus.
Zu guter Letzt sind es die Schauspieler, die einem die nicht immer liebenswürdigen Charakteren mit all ihren Stärken und Schwächen so nahe bringen. Natürlich fällt das Augenmerk auf den einzigen international bekannten Schauspieler des Films, Javier Bardem, schon deshalb, weil er für diese Rolle mit der Goldenen Palme ausgezeichnet und für einen Oskar nominiert wurde. Wie immer legt er seine glamouröse Gestalt völlig ab und spielt die Rolle mit überzeugender Natürlichkeit, wozu sicherlich auch beiträgt, dass der Film in Bardems Muttersprache Spanisch gedreht wurde. Doch darf man darüber nicht die große Leistung seiner Kollegen übersehen, vor allem von Maricel Álvarez, die Marambras Stimmungsschwankungen mit entwaffnender Aufrichtigkeit spielt.
Fazit
Der Film überwältigt zunächst und doch verlässt man das Kino zwar nachdenklich und bewegt, vielleicht auch etwas verweint, aber nicht deprimiert, sondern vor allem mit einer tiefen Zufriedenheit, den Abend einem großartigen Film geschenkt zu haben.