Das Abenteuer der Inspiration: Porträts deutscher Dichter von Lessing bis Dürrenmatt

Otto A. Böhmer: Das Abenteuer der Inspiration: Porträts deutscher Dichter von Lessing bis Dürrenmatt

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Was waren das für herrliche Zeiten! In Sachen deutscher Literatur gilt mit Fug und Recht der sonst so ausgeleierte Satz früher war alles besser. Entschuldigung Herr Walser, Herr Kehlmann, Herr Süsskind und Herr Suter, aber Sie wollen und können nicht mithalten: mit jener Grandezza, die sich speziell in Klassik und Romantik der deutschen Geschichte offenbarte. Goethe, Schiller, Hölderlin und Hoffmann. Novalis, Kleist und Eichendorff – das reicht doch für ein Leben, oder nicht?

Deren Leben in Form von Kurzbiographien hat der deutsche Schriftsteller Otto A. Böhmer in kompakter Form herausgebracht. Von Lessing als Aufhänger bis hin zu Andersch und Dürrenmatt fühlt der große Reigen deutscher Dichterlegenden; und die dichteste Sammlung an Schreibgrößen findet sich nun mal in oben erwähnter Periode. Sicher, Hesse, Kafka, Fontane oder Rilke gehören berechtigterweise auch dazu, aber nach dem zweiten Weltkrieg ist’s vorbei mit der Herrlichkeit.

27 Blitzlichter zwischen neun und neunzehn Seiten lang, gespickt mit Zitaten und großer Kenntnis der Primär- und Sekundärliteratur, die Böhmer im Anhang auch wohlfeil auftischt. Ganz dicht dran am Geschehen, wie als wäre er Teil der retroperspektiven Welt, nähert sich Böhmer seinen Größen und seinen Vorbildern. Die persönliche Affinität kann er nicht einfach so abstreifen, warum sollte er auch? Nur ein wenig stört es dabei, dass er selbst – ganz seine Profession – all die beschreibenden Wörter in großbusige Prosa verpacken muss.

Es handelt sich also korrekterweise nicht nur um ein nüchternes Sachbuch, denn als solches sollte man die Biographie, auch die mehrfache in kurzer Form, ja verstehen. Nein, vielmehr versucht dieses Buch selbst ein Kunstwerk zu sein, getragen von dem großen Erfolg, den Böhmer bereits mit seinen Sternstunden der Literatur und der Philosophie erreicht hatte. So folgt man atemlos den Selbstzitaten literarischer Größen, begleitet von den prosaischen Ergüssen ihres Bewunderers. Nicht immer leicht zu lesen, vor allen Dingen deshalb, weil sich der Autor selbst dem Sockel, auf dem die Heroen stehen, annähert – ein wenig mehr Distanz, ein wenig mehr Einfachheit, ein wenig mehr Absätze und klare Interpunktion hätten der Sache gut getan.

Interessant ist dieses Buch vor allen Dingen für Genießer, für diejenigen, die den Städteausflug am Wochenende lieben, das Brunch im edlen Hotel, den Besuch der Kunstgalerie, ohne sich dabei zwanghaft bilden zu wollen. Studenten werden die großen Wälzer nehmen müssen, Künstler allein die Gedichte und Dramen lesen – nur der Epikur unter den Lesern genießt die kleinen Happen und Köstlichkeiten, die einen immerhin in die Creme de la Creme deutscher Schreibkunst einweihen.

Fazit:

Das Abenteuer der Inspiration kommt leider etwas zu kurz, denn just jene Kreativität, die Arthur Koestler, als das Gegenstück der Rationalität beschreiben hat, wird durch Böhmer selbst aufgrund seiner massiven Dominanz konterkariert. Wo ist der Raum für den glimmenden Funken, den die Muse küsste? In den Zitaten, in den Werken, in der Nichtsprache. Mit Genuss und Ruhe werden sie auch hier gefunden.

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