Kleines Wörterbuch für Liebende

Xiaolu Guo: Kleines Wörterbuch für Liebende

Die Chinesin Xiaolu Guo lebt seit dem Jahr 2002 in London. Bei ihrer Ankunft in der englischen Hauptstadt wird so wohl ähnlich verwirrt gewesen sein wie die Heldin ihre Buches mit dem für Europäer „unmerkbaren“ Namen Zhuang Xiaoqiao. Leicht frustriert antwortet Zhuang auf die Frage nach ihrem Namen bald nur noch  mit „Z“.

Inhalt

Zhuang ist zum ersten Mal im Westen und alles ist anders als in China, die Sprache ist seltsam – warum nur verändern die Europäer Verben  –  die Höflichkeitsregeln erschließen sich ihr nicht, vieles am Benehmen der Engländer ist ihr unverständlich und dann das Essen! Schlicht ungenießbar!

Neue Worte, aber auch verblüffende Begebenheiten und neue Erfahrungen schreibt Zhuang in ein kleines Notizbuch, dies Büchlein ist ihr Rettungsanker im Meer des Unverständlichen. Bald hat sie viel zu schreiben, denn sie begegnet der Liebe, wo? Natürlich im Kino. Eine Liebe beginnt – mit einem Missverständnis. „Sei mein Gast“, hatte er zu ihr gesagt und sie nimmt es wörtlich und packt ihren Koffer, um bei ihm einzuziehen. Aber es bleibt schwierig. Er liebt alte Sachen, was ist schlecht an Neuem, fragt sie. Er bietet ihr einen Salat an. „In China kalte Essen für Gast ist schlecht, nur Bettler nehmen an kalte Essen …“ Sie durchwühlt seine Fotoalben, seine Sachen, er wütet, dass sie seine Privatsphäre missachtet. Was meint er damit nur?  Und dann der Sex! Auch das ist eine neue Welt für Zhuang. Die Gebrauchsanweisung für ein Kondom stürzt sie in Verwirrung. Er spricht von seinen homosexuellen Erfahrungen, von Masturbation, sie schlägt gewissenhaft im Wörterbuch nach und notiert sich die Vokabeln – und lässt sich voller Neugier ein auf all dies Neue. Aber sie träumt von Ehe, Familie, vom Bleiben im neuen Land, doch er besteht  auf einer Reise durch Europa, allein,  damit sie neue Erfahrungen sammle. Sie will Nähe, er Freiheit. Dieser Mann ist so ganz anders als alles, was sie bisher kennen gelernt hatte: Er betont das Ich, sie spricht vom Wir, er von Unabhängigkeit, sie von Ordnung. Es sind eigentlich nicht so sehr die kulturellen Unterschiede, es sind mehr die nicht miteinander zu vereinbarenden Lebensweisen, die ihre Liebe gefährden.

Xiaolu Guo, 1973 in Südchina geboren, hat an der Filmhochschule Beijing studiert und ist in China, wie auch in ihrer britischen Wahlheimat in erster Linie als Filmemacherin bekannt – falls sie nicht gerade schreibt. Ihr drittes Buch ist ebenfalls bereits auf Deutsch erschienen unter dem Titel „Ein Ufo, dachte sie“. Ihr Film „She, a chinese“ lief bereits im deutschen Fernsehen.

Fazit

Das kleine Wörterbuch für Liebende ist eine bittersüße Liebesgeschichte und zugleich eine witzig-skurrile Auseinandersetzung über unterschiedlicher Kulturen und Lebensweisen. Trotz mancher Klischees und der sprachlichen und stilistischen Eingeschränktheit der Ich-Erzählerin ist das Buch ein flüssiger und vergnüglicher Lesespaß. Und bei allem Vergnügen ist es auch eine nicht zu unterschätzende Möglichkeit, mehr von der Denkweise der Chinesen zu verstehen. „Lost in translation“ auf chinesisch.

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