Der Würger von der Cater Street von Anne Perry
London, gegen Ende des 19. Jahrhunderts: Charlotte Elison, Anfang zwanzig und noch unverheiratet, kommt aus einer wohlhabenden Familie. Mit ihrer vorlauten Art und ihrem emanzipierten Verhalten ist sie ihrer Zeit voraus. Zudem schwärmt sie heimlich für ihren Schwager Dominic, der aber mit ihrer älteren Schwester Sarah verheiratet ist. Andere Männer interessierten Charlotte bislang nicht.
Zu dieser Zeit geschehen in der Cater Street, nah bei den Elisons, innerhalb kurzer Zeit mehrere Morde. Die Opfer sind alle Frauen, die mit einer Schlinge erwürgt wurden. Die Frauen wurden weder ausgeraubt noch sexuell missbraucht, sodass die Polizei keinen Anhaltspunkt für ein Motiv hat – geschweige denn Spuren zum Täter.
Der noch junge Inspector Thomas Pitt leitet die Ermittlungen. Als ein Dienstmädchen der Elisons ebenfalls ermordet wird, wird auch die Familie befragt. Anders als bei seinen Kollegen üblich, hält sich Pitt nicht zurück bei den unangenehmen Fragen. Charlotte findet ihn anfangs aufdringlich, dann aber imponiert ihr seine direkte Art. Während sich die beiden näher kommen, verdichtet sich der Verdacht, dass der Mörder ganz aus der Nähe kommen muss …
Mörderisches London
Unter den zahlreichen historischen Krimireihen gehört Anne Perrys Reihe über das spätere Ehepaar Charlotte und Thomas Pitt immer noch zu den populärsten und erfolgreichsten. In diesem ersten Band erfährt man, wie alles zwischen ihnen begann. Der Roman ist ein schönes Sittengemälde der konservativen viktorianischen Gesellschaft. Der Leser erhält detaillierte Einblicke in den Alltag im England des ausgehenden 19. Jahrhunderts und in das Leben der Oberen Zehntausend, sowohl die schönen als auch die Schattenseiten.
Charlotte und Thomas sind gelungene Charaktere, die sympathisch sind, beides Außenseiter in der Gesellschaft auf ihre Art – Charlotte, weil sie für eine Frau ungewöhnlich fortschrittlich ist und Thomas, weil er sich nicht vom Glanz der Reichen blenden oder gar korrumpieren lässt. Auch Charlottes jüngere Schwester Emily, die ähnlich stur wie sie selbst ist, ist interessant sowie der attraktive Dominic, der ein Geheimnis zu verbergen scheint.
Die Krimihandlung ist spannend und solide, aber verblasst ein wenig gegenüber dem historischen Teil, zu ausführlich sind die Schilderungen des Alltags. Weiterhin ist das Finale ein bisschen rasch erzählt, ein paar Seiten mehr hätten dem Ende gut getan.
Fazit
Den Leser erwartet hier ein gelungener Historienkrimi aus dem viktorianischen England mit viel Lokalkolorit und Details aus dem damaligen Alltag. Der erste Band aus der Reihe um Thomas Pitt und seine spätere Ehefrau Charlotte macht definitiv Lust auf mehr, auch wenn der Krimiteil ein wenig gegenüber dem historischen Teil verblasst.