Triffst du Buddha, töte ihn!: Ein Selbstversuch von Andreas Altmann
Inhalt
Martialischer Titel, unblutiger Inhalt: Andreas Altmann wagt in „Triffst du Buddha, töte ihn!“ einen Selbstversuch. Ohne Sprengstoffgürtel, dafür mit klarem Verstand. Herausgekommen ist ein berührendes literarisches Roadmovie über eine Reise nach Indien – und eine Reise ins Innere des menschlichen Geistes.
Buddhismus ist mega-in: Seit Jahren werden wir von fernöstlichem Devotionalien-Ramsch überschwemmt. Ob als Statue oder Kühlschrankmagnet, Buddha gibt’s beim Discounter ebenso wie beim Kaffeeröster um die Ecke. Da ist es nur folgerichtig, dass Deutschlands bekanntester Reiseschriftsteller Andreas Altmann jetzt ein Buch zum Thema veröffentlicht. Allein der Titel macht stutzig: „Triffst du Buddha, töte ihn!“.
Was nach Anstiftung zum Gewaltverbrechen klingt, hat einen gänzlich buddhistischen Hintergrund: Vor Jahren hörte Altmann in Indien den Satz „Triffst du Buddha auf der Straße, dann töte ihn“. Und ließ ihn sich erklären: „Buddha soll dir Hebamme sein, Guru und Mentor. Um das in dir schlummernde Potential zu wecken, es zur Welt zu bringen. Aber wenn es geweckt ist, dann musst du dich verabschieden, ihn von dir weisen, ihn ‚töten’“.
Das Buch ist ein Abschied. Ein definitiver, ohne Totschlag, dafür inklusive Abschiedsgeschenk. Im ersten Teil der Reise folgt Altmann den Spuren Buddhas und begibt sich zu den „heiligen Stätten“: seinem Geburtsort Lumbini, Bodhgaya, dem Ort, an dem er „erleuchtet“ worden sein soll, Kushinagar, dem Sterbeort. Dort findet er – nichts. Außer toten Steinen und erstarrtem Personenkult, das Ganze in Kombination mit pseudoreligiösem Massentourismus.
Die wahren Schätze finden sich unterwegs: Das Buch lebt von den Menschen, die Altmann unterwegs trifft. Sie teilen mit ihm ihre Geschichten und ihre Erfahrungen. Und Altmann teilt sie mit dem Leser. Er erzählt vom 18-jährigen Ishan, der jeden Tag nach der Schule zwei Stunden Weg zurücklegt, um mit Gleichgesinnten über Gedichte zu sprechen, von dem Zugpassagier, der den französischen Präsidenten wegen seiner Frau nicht mag („Er hätte jemanden aus seinem Dorf nehmen sollen“), vom stakselbeindürren Riksha-Fahrer Malulal, der behutsam ein blindes Paar über die Straße führt. Der reportage-artige Erzählton wechselt von nonchalanter Nachlässigkeit über ätzende Ironie bis ins Poetische: „Das leise Quietschen der Naben, das Holpern der Räder, der Atem von Jeevan, dem Fahrer. Wie durch Milch tauchen wir, wie Watte liegt die Welt vor uns.“
Die Reise endet im zweiten Teil, auf einem Meditationskissen im Dhamma Chakka Vipassana Center. Hier wird eine der ältesten Meditationstechniken Indiens gelehrt: Vipassana. Zehn Tage sitzen, zehn Tage den eigenen Atem beobachten – isoliert, wortlos – um zu geistiger Klarheit, innerem Frieden und zum eigenständigen Denken und Handeln zu kommen. Mit eingeschmuggelten Schreibutensilien notiert der Autor, was ihm beim stundenlangen Sitzen tagsüber durch den Kopf ging und wie er näher an Buddha und seine Weltanschauung herankommt. Um sich am Schluss dankbar von ihm zu verabschieden: „Der spirituelle Lehrer ist nur Wegweiser. Du musst dein eigener Meister werden“.
Fazit
„Triffst du Buddha, töte ihn!“ ist das dreizehnte Buch von Andreas Altmann, dem bekanntesten deutschen Reiseschriftsteller. Ein gutes Buch, das einen – lässt man sich auf die radikal unspirituelle, gänzlich erleuchtungsfreie Erzählweise ein – nachdenklich macht. Die Unmittelbarkeit der Sprache wirkt an manchen Stellen ebenso verstörend wie wohltuend, das Weltwissen, das Altmann auf 256 Seiten vor dem Leser ausbreitet, macht neugierig – auf eigene Erfahrungen, aufs eigene – eigenständige – Denken und Handeln.